Professor Martha J. Farah, Neurobiologin an der Universität von Pennsylvania hat in standardisierenden Tests herausgefunden, dass Kinder, die in Armut aufwachsen, einen niedrigeren Intelligenzquotienten haben.
Erstaunlicher Weise ist es nicht der Drogenmissbrauch, der ja in ärmeren Gesellschafts-schichten häufig ist: die so genannten Crack-Babys, Kinder von Drogenabhängigen, schnitten nicht schlechter ab als Kinder von Nichtdrogenabhängigen. Es ist tatsächlich die Armut, die den IQ beeinflusst.
Was also beeinflusst die Hirnentwicklung der Kinder: schlechte Ernährung, schlechtere gesundheitliche Versorgung, das soziale Umfeld, schlechte Lebenssituation, Stress der Eltern? Diese Fragen stellte sich Prof. Farah, und sagt: „Das Armut mehr ist als nur Geldmangel, ist mir bei meinen Studien sehr schnell klar geworden.“
Sie entdeckte, dass auch die körperliche und geistige Gesundheit der Eltern eine große Rolle für die Hirnentwicklung des Kindes spielen.
In einer vergleichenden Untersuchung von Kindergartenkinder unterschiedlicher sozialer Klassen stellten die Wissenschaftler fest, dass Kinder aus armen Familien im Vergleich zu Mittelklassekindern eine deutlich schlechtere Sprachfähigkeit haben, ein schlechteres Arbeitsgedächtnis und dass sie sich schlechter konzentrieren können.
Und sie fanden heraus, dass Armut verschiedene Hirnregionen unterschiedlich stark beeinflusst. In diesen Regionen waren die Nervennetzwerke weniger eng geknüpft und sie waren anders strukturiert als bei Gleichaltrigen.
Welche Faktoren führen zu diesen Fehlentwicklungen? Studien haben gezeigt, dass bei Kindern, die häufig negativem Stress ausgesetzt waren, die Stresshormone länger im Blut nachweisbar waren. Das könnte eine Ursache der veränderten Hirnentwicklung sein, vermuten die Wissenschaftler.
Wenn die Eltern eine Möglichkeit hatten, den eigenen Stress abzubauen, und sie lernten, wie man Kindergeschichten richtig betont vorliest, verbesserten sich die Hirnleistungen der Kinder. Erfahren die Kinder viel Geborgenheit und Zuwendung, verbesserte sich auch ihr Gedächtnis wieder. Das sollte allerdings bis zum Alter von vier Jahren geschehen sein. Denn danach sind die Hirngebiete soweit ausgereift, dass sie nur noch schwer verändert werden können.
Die Wissenschaftler fordern für arme Familien ein entsprechendes Training. Nur so kann die Zukunft der Kinder und der Gesellschaft gesichert werden.
Quelle „Die Welt“ 19.02.2008 Pia Heinemann Zusammenfassung Sigrid Ebert